Wir waren gerade im Bus zurück nach Quito. Zuvor noch im
internetfreiem Regenwald gewesen, mussten den Aufenthalt aber früher abbrechen.
Unserem Guide wurde mitgeteilt, dass alle den Regenwald verlassen müssen. Für
uns natürlich total ärgerlich. Wir hatten uns schon Gedanken darüber gemacht,
wann und wo wir unseren Urlaub nachholen. Als wir dann im Bus saßen und ich
mein Handy wieder angemacht habe, kamen 150 neue Nachrichten. Von allen
möglichen Personen wurde uns gesagt, dass wir zurück fliegen müssen. Uns hat
das sehr hart getroffen. Die Busfahrt war sehr schlimm und es sind viele Tränen
geflossen. Wir haben mit vielen anderen darüber geredet, ob sie als Urlaubende
zurück fliegen sollten. Die Ansichten waren sehr verschieden. So richtig
verstehen, dass wir so traurig waren, konnte jedoch keiner. In Quito angekommen
habe ich meine Eltern noch getroffen und mich von ihnen verabschiedet,
unwissend wann ich sie wiedersehen werde und ob ich vielleicht sogar noch vor
ihnen nach Deutschland zurückkehre. Die nächste Hürde war die Fahrt von Quito
nach Santo Domingo. Die Busse fuhren nicht mehr und niemand wusste, wann sie
wieder fahren. Und die Taxifahrer wollten alle unglaublich viel Geld von uns.
Letztendlich blieb uns keine andere Wahl. In Santo Domingo angekommen, war das
Gefühl, eines der letzten Male durch unsere Wohnungstür zu kommen und zu Hause
zu sein, ganz komisch. In der Nacht konnte ich kaum schlafen, aufzuwachen in
einer Ungewissheit, wann man die bekannte, liebende Welt für unbestimmte Zeit
verlassen muss. Die nächsten Tage waren komisch. Wir hockten zu Hause und
wussten nicht, wie schnell wir zurück fliegen müssen. Daher hieß es, Tasche
packen, ohne dass wir wussten wann unser Flieger geht. Man hat so in den Tag
hineingelebt. Wir hatten nichts zu tun und die Stimmung war auch ganz anders.
Wegen der Ausgangssperre konnten wir auch nicht arbeiten. Dieses ständige
Warten und nichts tun macht einen echt fertig.
Letztendlich haben wir
uns selber um ein Flugticket kümmern müssen und zum Glück auch einen Flug
gefunden. Erst mal waren wir glücklich, dass es dann endlich weiter ging und
wir nicht mehr im Ungewissen hockten. Dann mussten wir uns noch ziemlich
umständlich um die Passierscheine kümmern, damit wir trotz Ausgangssperre von
Santo Domingo nach Quito fahren durften. Wir haben öfter mit der Polizei
gesprochen und auch unsere Chefin wollte uns so gut wie möglich helfen. Wir
saßen in den letzten Tagen vor der Abreise stundenlang in ihrem Büro und
haben überlegt, wie wir nach Quito kommen können. Es fuhren keine Busse und
auch keine Taxis. Und auch diejenigen, die ein eigenes Auto haben, hatten zu
viel Angst, diese Strecke zu fahren, da es auch hohe Strafen geben kann, jedoch
nicht mit Passierschein. Unsere Chefin hätte uns gerne gefahren, allerdings hat
sie keinen Führerschein. Und unser Padre hätte uns auch gefahren, jedoch
hockte er in seinem Heimatland Polen fest. Er hat uns aber sein Auto zur
Verfügung gestellt. Also benötigten wir nur noch einen Fahrer. Ein anderer Padre aus unserem Projekt wollte uns auch nicht fahren, da er zu viel Angst hatte. Letztendlich hat unsere Chefin einen Bekannten gefunden, der uns fahren konnte, jedoch für viel Geld
und auch nicht am Tag unseres Rückfluges, sondern 3 Tage früher, sodass wir
noch ein Hostel buchen mussten. Die Autos durften nicht an jedem Tag fahren,
abhängig von der Nummer des Kennzeichens. Wir waren unserer Chefin trotzdem
total dankbar, ohne sie hätten wir es bestimmt nicht hinbekommen.
Schon irgendwie ironisch, dass wir so viel getan haben, um
irgendwie nach Deutschland zu kommen, obwohl wir doch auf gar keinen Fall weg
wollten. Andererseits wäre es auch nicht schön, noch Wochen dort festzuhängen
ohne zu arbeiten, ohne Freunde zu treffen und kaum rauszugehen. Irgendwann
konnten wir uns dann auch mit der Entscheidung abfinden, da wir in Deutschland
auf jeden Fall eine bessere medizinische Versorgung haben und es damit für uns
sicherer ist. Im Nachhinein bin ich sehr froh, bei diesen Zuständen nicht in Ecuador gewesen zu sein. Wir konnten uns noch von unseren Arbeitskollegen verabschieden. Sie
haben außerdem noch versucht so viele Kinder wie möglich von unserem Projekt zu
kontaktieren, sodass wir uns noch von ihnen verabschieden konnten. Total lieb, allerdings
kamen nur 3 Kindern. Es zerreißt einem echt das Herz, wenn man sich nicht von
seinen Kindern verabschieden kann und auch nicht weiß, wann man die Kinder
wieder sieht und ob sie dann überhaupt noch in unserem Projekt sind. Auch von
unseren Freunden konnten wir uns kaum verabschieden. Es war alles so spontan
und kurzfristig, sodass dafür kaum Zeit blieb und sich auch jeder um seinen
Kram kümmern musste. Unser ecuadorianischer Freund und 2 deutsche Freunde kamen
uns noch besuchen, von allen anderen konnten wir uns leider nicht verabschieden,
viele wohnten auch in anderen Städten.
Nachdem alles für die Rückreise geplant war, ging es dann
auch schon los. Wir sind morgens um 7 mit dem Auto nach Quito zum Hostel
gefahren. Am Tag unseres Fluges sind wir
überpünktlich zum Flughafen gefahren und mussten dann noch eine ganze Weile in
einem Nebengebäude warten, da man erst kurz vor dem Flug und nur mit Flugticket
in den Flughafen darf. Wir haben dort dann noch viele von unseren deutschen
Freunden wiedergetroffen. Alle zusammen saßen wir dann in dem Nebengebäude und
haben über unsere Zeit gesprochen. Das war echt nochmal ein schöner Abschied. Im Flugzeug wurde uns dann mitgeteilt, dass wir trotz
Zwischenstopp in Guayaquil kein Essen ins Flugzeug bekommen. Also hatten wir
bei dem gesamten Flug nur 2 Kekse. Das war schon echt hart, da uns dann noch
aufgefallen ist, dass wir unsere Essenstüte im Hostel vergessen haben. Der
Abflug war für mich wieder sehr emotional. Nach dem langen Flug sind wir in
Amsterdam angekommen. Wir wurden dann in Düsseldorf mit dem Auto abgeholt. Vor der Fahrt haben wir aber erst mal ordentlich was zu
essen bekommen. Ich bin dann abends nach Hause gekommen wo meine Eltern auch
schon auf mich gewartet haben. Die Ankunft in meinem alten zu Hause fiel mir
wieder sehr schwer. Ich habe mich lange umgeschaut und musste wieder anfangen
zu weinen. Es hat wirklich lange gedauert, bis ich mich an meine alte Umgebung
gewöhnen konnte.
Ich habe mir auch eigentlich die Rückkehr nach Deutschland
ganz anders vorgestellt: ich komme Ende August zurück, freue mich meine Eltern
und Verwandten wieder zu sehen, treffe mich mit meinen Freunden und gehen
feiern, ins Kino oder auch ins Schwimmbad. Aber nein, meine Eltern haben mich
in meinen letzten Tagen in Ecuador noch besucht, meine Schwester hockte noch in
Bolivien fest, daher hätte ich sie auch nicht gleich in Deutschland
wiedergetroffen, meine Verwandten konnte ich anfangs wegen Corona auch nicht
besuchen und meine Freunde hockten entweder noch im Ausland, in anderen Städten
Deutschlands, hatten keine Zeit wegen des Abis oder wir hätten uns nicht
treffen können wegen den Corona-Maßnahmen. Die Ankunft war einfach nur traurig.
Als ich dann wieder zu Hause war, fiel es mir schwer, wieder
in den Alltag rein zu kommen. Angefangen damit, dass ich noch einen Jetlag
hatte und demnach immer sehr spät ins Bett gegangen bin und auch sehr spät
aufgestanden bin, konnte ich tagsüber auch nicht viel machen. Ich hatte aber
auch irgendwie kein großes Interesse daran, mich bewusst wieder an die deutsche
Zeit zu gewöhnen. Von daher hat es auch sehr lange gedauert, bis ich körperlich
wieder richtig in Deutschland war. Generell habe ich viel vor mich hin
gegammelt. Filme geschaut, gechillt und mit Freunden telefoniert. Ab und zu bin
ich noch rausgegangen, um nicht die ganze Zeit drin zu hocken. Ich musste noch sehr
oft an Ecuador denken und an meine Kinder, die ich sehr vermisse. Ich frage
mich oft, wie es ihnen geht. Ich vermisse auch meine ganzen Freunde aus
Ecuador, sowohl meine deutschen Freunde, als auch meine ecuadorianischen. Ich
vermisse einfach das gesamte Leben dort. Die tolle Arbeit, die WG mit meinen Mitfreiwilligen, das selbstständige und unabhängige wohnen, die Treffen und
Ausflüge mit unseren Freunden und natürlich auch das Reisen und mehr von der
Welt kennenlernen. Das eigentlich Schlimme war, dass für mich eine sehr
besondere und unvergessliche Zeit einfach so von 0 auf 100 vorbei war und ich
nichts daran ändern konnte. Mittlerweile habe ich
mich wieder an Deutschland gewöhnt, wobei ich sagen muss, dass ich bei meiner
Rückkehr einen viel größeren Kulturschock hatte, als bei meiner Ankunft in
Ecuador. Aber nach einer gewissen Zeit, fühlt man sich auch wieder in
Deutschland wohl. Ich habe zwar immer noch keinen geregelten Tagesablauf, aber
langweilig ist mir auch nicht. Es fällt mir sehr schwer, wieder zu Hause zu
wohnen. Eigentlich war es so gedacht, dass ich nach meinem Auslandsjahr wo
anders hinziehe für mein Studium und somit gar nicht mehr bei meinen Eltern
wohne. Da es jetzt ganz anders kam, wohne ich also für ein halbes Jahr wieder
zu Hause und das fällt mir sehr schwer, gerade nachdem ich sehr lange ohne
Eltern gewohnt habe und für mich selber sorgen musste. Anfangs habe ich mir
sehr gewünscht, dass ich bald wieder zurück nach Ecuador kann, sobald die
Corona-Krise vorbei ist, aber je mehr Zeit verging, desto unwahrscheinlicher
wurde es und jetzt ist es ja eh zu spät.
Trotz der großen Trauer, nicht mehr dort zu sein, erscheinen
einem immer mehr positive Aspekte jetzt wieder in Deutschland zu sein. Man hat
Zeit für viele Sachen, die man sonst wahrscheinlich immer vor sich hergeschoben
hätte oder auch gar nicht erst gemacht hätte. Ich habe zum Beispiel mein
gesamtes Zimmer ausgemistet. Wann man macht das, wenn nicht nach einem
Auslandsjahr. Ich hätte sonst niemals so viele Sachen, die ich nicht mehr
brauche, aussortiert oder auch gar nicht die Zeit dafür gefunden. Außerdem ist
jetzt auch viel Zeit um den Führerschein zu machen, sich um ein Studium zu
kümmern und außerdem bietet es einem eine gute Möglichkeit, auch mal in
Deutschland oder Europa zu reisen. Ich konnte auch meine Verwandten besuchen
und länger, als nur ein Wochenende bleiben, was auch länger nicht mehr
vorgekommen wäre, wenn ich nach meinem Auslandsjahr direkt angefangen hätte zu
studieren. Ich konnte und kann mich aber auch immer an dem Gedanken festhalten,
dass es nicht meine letzte Reise nach Ecuador oder Südamerika gewesen sein
wird. Es wird zwar noch eine Weile dauern aber vielleicht befinde ich mich ja
in 3 Jahren, nach meinem Studium, auf dem Weg nach Südamerika. Ob ich dann nur
reisen oder nochmal einen Freiwilligendienst machen möchte, weiß ich noch nicht
und möchte ich auch noch nicht festlegen, da sich in den nächsten 3 Jahren auch
alles ändern und anders kommen kann, als ich es gedacht hätte.




