Mittwoch, 10. Juni 2020

Abbruch


Wir waren gerade im Bus zurück nach Quito. Zuvor noch im internetfreiem Regenwald gewesen, mussten den Aufenthalt aber früher abbrechen. Unserem Guide wurde mitgeteilt, dass alle den Regenwald verlassen müssen. Für uns natürlich total ärgerlich. Wir hatten uns schon Gedanken darüber gemacht, wann und wo wir unseren Urlaub nachholen. Als wir dann im Bus saßen und ich mein Handy wieder angemacht habe, kamen 150 neue Nachrichten. Von allen möglichen Personen wurde uns gesagt, dass wir zurück fliegen müssen. Uns hat das sehr hart getroffen. Die Busfahrt war sehr schlimm und es sind viele Tränen geflossen. Wir haben mit vielen anderen darüber geredet, ob sie als Urlaubende zurück fliegen sollten. Die Ansichten waren sehr verschieden. So richtig verstehen, dass wir so traurig waren, konnte jedoch keiner. In Quito angekommen habe ich meine Eltern noch getroffen und mich von ihnen verabschiedet, unwissend wann ich sie wiedersehen werde und ob ich vielleicht sogar noch vor ihnen nach Deutschland zurückkehre. Die nächste Hürde war die Fahrt von Quito nach Santo Domingo. Die Busse fuhren nicht mehr und niemand wusste, wann sie wieder fahren. Und die Taxifahrer wollten alle unglaublich viel Geld von uns. Letztendlich blieb uns keine andere Wahl. In Santo Domingo angekommen, war das Gefühl, eines der letzten Male durch unsere Wohnungstür zu kommen und zu Hause zu sein, ganz komisch. In der Nacht konnte ich kaum schlafen, aufzuwachen in einer Ungewissheit, wann man die bekannte, liebende Welt für unbestimmte Zeit verlassen muss. Die nächsten Tage waren komisch. Wir hockten zu Hause und wussten nicht, wie schnell wir zurück fliegen müssen. Daher hieß es, Tasche packen, ohne dass wir wussten wann unser Flieger geht. Man hat so in den Tag hineingelebt. Wir hatten nichts zu tun und die Stimmung war auch ganz anders. Wegen der Ausgangssperre konnten wir auch nicht arbeiten. Dieses ständige Warten und nichts tun macht einen echt fertig.

 Letztendlich haben wir uns selber um ein Flugticket kümmern müssen und zum Glück auch einen Flug gefunden. Erst mal waren wir glücklich, dass es dann endlich weiter ging und wir nicht mehr im Ungewissen hockten. Dann mussten wir uns noch ziemlich umständlich um die Passierscheine kümmern, damit wir trotz Ausgangssperre von Santo Domingo nach Quito fahren durften. Wir haben öfter mit der Polizei gesprochen und auch unsere Chefin wollte uns so gut wie möglich helfen. Wir saßen in den letzten Tagen vor der Abreise stundenlang in ihrem Büro und haben überlegt, wie wir nach Quito kommen können. Es fuhren keine Busse und auch keine Taxis. Und auch diejenigen, die ein eigenes Auto haben, hatten zu viel Angst, diese Strecke zu fahren, da es auch hohe Strafen geben kann, jedoch nicht mit Passierschein. Unsere Chefin hätte uns gerne gefahren, allerdings hat sie keinen Führerschein. Und unser Padre hätte uns auch gefahren, jedoch hockte er in seinem Heimatland Polen fest. Er hat uns aber sein Auto zur Verfügung gestellt. Also benötigten wir nur noch einen Fahrer. Ein anderer Padre aus unserem Projekt wollte uns auch nicht fahren, da er zu viel Angst hatte. Letztendlich hat unsere Chefin einen Bekannten gefunden, der uns fahren konnte, jedoch für viel Geld und auch nicht am Tag unseres Rückfluges, sondern 3 Tage früher, sodass wir noch ein Hostel buchen mussten. Die Autos durften nicht an jedem Tag fahren, abhängig von der Nummer des Kennzeichens. Wir waren unserer Chefin trotzdem total dankbar, ohne sie hätten wir es bestimmt nicht hinbekommen.

Schon irgendwie ironisch, dass wir so viel getan haben, um irgendwie nach Deutschland zu kommen, obwohl wir doch auf gar keinen Fall weg wollten. Andererseits wäre es auch nicht schön, noch Wochen dort festzuhängen ohne zu arbeiten, ohne Freunde zu treffen und kaum rauszugehen. Irgendwann konnten wir uns dann auch mit der Entscheidung abfinden, da wir in Deutschland auf jeden Fall eine bessere medizinische Versorgung haben und es damit für uns sicherer ist. Im Nachhinein bin ich sehr froh, bei diesen Zuständen nicht in Ecuador gewesen zu sein. Wir konnten uns noch von unseren Arbeitskollegen verabschieden. Sie haben außerdem noch versucht so viele Kinder wie möglich von unserem Projekt zu kontaktieren, sodass wir uns noch von ihnen verabschieden konnten. Total lieb, allerdings kamen nur 3 Kindern. Es zerreißt einem echt das Herz, wenn man sich nicht von seinen Kindern verabschieden kann und auch nicht weiß, wann man die Kinder wieder sieht und ob sie dann überhaupt noch in unserem Projekt sind. Auch von unseren Freunden konnten wir uns kaum verabschieden. Es war alles so spontan und kurzfristig, sodass dafür kaum Zeit blieb und sich auch jeder um seinen Kram kümmern musste. Unser ecuadorianischer Freund und 2 deutsche Freunde kamen uns noch besuchen, von allen anderen konnten wir uns leider nicht verabschieden, viele wohnten auch in anderen Städten.

Nachdem alles für die Rückreise geplant war, ging es dann auch schon los. Wir sind morgens um 7 mit dem Auto nach Quito zum Hostel gefahren. Am Tag unseres Fluges sind wir überpünktlich zum Flughafen gefahren und mussten dann noch eine ganze Weile in einem Nebengebäude warten, da man erst kurz vor dem Flug und nur mit Flugticket in den Flughafen darf. Wir haben dort dann noch viele von unseren deutschen Freunden wiedergetroffen. Alle zusammen saßen wir dann in dem Nebengebäude und haben über unsere Zeit gesprochen. Das war echt nochmal ein schöner Abschied.  Im Flugzeug wurde uns dann mitgeteilt, dass wir trotz Zwischenstopp in Guayaquil kein Essen ins Flugzeug bekommen. Also hatten wir bei dem gesamten Flug nur 2 Kekse. Das war schon echt hart, da uns dann noch aufgefallen ist, dass wir unsere Essenstüte im Hostel vergessen haben. Der Abflug war für mich wieder sehr emotional. Nach dem langen Flug sind wir in Amsterdam angekommen. Wir wurden dann in Düsseldorf mit dem Auto abgeholt. Vor der Fahrt haben wir aber erst mal ordentlich was zu essen bekommen. Ich bin dann abends nach Hause gekommen wo meine Eltern auch schon auf mich gewartet haben. Die Ankunft in meinem alten zu Hause fiel mir wieder sehr schwer. Ich habe mich lange umgeschaut und musste wieder anfangen zu weinen. Es hat wirklich lange gedauert, bis ich mich an meine alte Umgebung gewöhnen konnte.

Ich habe mir auch eigentlich die Rückkehr nach Deutschland ganz anders vorgestellt: ich komme Ende August zurück, freue mich meine Eltern und Verwandten wieder zu sehen, treffe mich mit meinen Freunden und gehen feiern, ins Kino oder auch ins Schwimmbad. Aber nein, meine Eltern haben mich in meinen letzten Tagen in Ecuador noch besucht, meine Schwester hockte noch in Bolivien fest, daher hätte ich sie auch nicht gleich in Deutschland wiedergetroffen, meine Verwandten konnte ich anfangs wegen Corona auch nicht besuchen und meine Freunde hockten entweder noch im Ausland, in anderen Städten Deutschlands, hatten keine Zeit wegen des Abis oder wir hätten uns nicht treffen können wegen den Corona-Maßnahmen. Die Ankunft war einfach nur traurig.

Als ich dann wieder zu Hause war, fiel es mir schwer, wieder in den Alltag rein zu kommen. Angefangen damit, dass ich noch einen Jetlag hatte und demnach immer sehr spät ins Bett gegangen bin und auch sehr spät aufgestanden bin, konnte ich tagsüber auch nicht viel machen. Ich hatte aber auch irgendwie kein großes Interesse daran, mich bewusst wieder an die deutsche Zeit zu gewöhnen. Von daher hat es auch sehr lange gedauert, bis ich körperlich wieder richtig in Deutschland war. Generell habe ich viel vor mich hin gegammelt. Filme geschaut, gechillt und mit Freunden telefoniert. Ab und zu bin ich noch rausgegangen, um nicht die ganze Zeit drin zu hocken. Ich musste noch sehr oft an Ecuador denken und an meine Kinder, die ich sehr vermisse. Ich frage mich oft, wie es ihnen geht. Ich vermisse auch meine ganzen Freunde aus Ecuador, sowohl meine deutschen Freunde, als auch meine ecuadorianischen. Ich vermisse einfach das gesamte Leben dort. Die tolle Arbeit, die WG mit meinen Mitfreiwilligen, das selbstständige und unabhängige wohnen, die Treffen und Ausflüge mit unseren Freunden und natürlich auch das Reisen und mehr von der Welt kennenlernen. Das eigentlich Schlimme war, dass für mich eine sehr besondere und unvergessliche Zeit einfach so von 0 auf 100 vorbei war und ich nichts daran ändern konnte. Mittlerweile habe ich mich wieder an Deutschland gewöhnt, wobei ich sagen muss, dass ich bei meiner Rückkehr einen viel größeren Kulturschock hatte, als bei meiner Ankunft in Ecuador. Aber nach einer gewissen Zeit, fühlt man sich auch wieder in Deutschland wohl. Ich habe zwar immer noch keinen geregelten Tagesablauf, aber langweilig ist mir auch nicht. Es fällt mir sehr schwer, wieder zu Hause zu wohnen. Eigentlich war es so gedacht, dass ich nach meinem Auslandsjahr wo anders hinziehe für mein Studium und somit gar nicht mehr bei meinen Eltern wohne. Da es jetzt ganz anders kam, wohne ich also für ein halbes Jahr wieder zu Hause und das fällt mir sehr schwer, gerade nachdem ich sehr lange ohne Eltern gewohnt habe und für mich selber sorgen musste. Anfangs habe ich mir sehr gewünscht, dass ich bald wieder zurück nach Ecuador kann, sobald die Corona-Krise vorbei ist, aber je mehr Zeit verging, desto unwahrscheinlicher wurde es und jetzt ist es ja eh zu spät.

Trotz der großen Trauer, nicht mehr dort zu sein, erscheinen einem immer mehr positive Aspekte jetzt wieder in Deutschland zu sein. Man hat Zeit für viele Sachen, die man sonst wahrscheinlich immer vor sich hergeschoben hätte oder auch gar nicht erst gemacht hätte. Ich habe zum Beispiel mein gesamtes Zimmer ausgemistet. Wann man macht das, wenn nicht nach einem Auslandsjahr. Ich hätte sonst niemals so viele Sachen, die ich nicht mehr brauche, aussortiert oder auch gar nicht die Zeit dafür gefunden. Außerdem ist jetzt auch viel Zeit um den Führerschein zu machen, sich um ein Studium zu kümmern und außerdem bietet es einem eine gute Möglichkeit, auch mal in Deutschland oder Europa zu reisen. Ich konnte auch meine Verwandten besuchen und länger, als nur ein Wochenende bleiben, was auch länger nicht mehr vorgekommen wäre, wenn ich nach meinem Auslandsjahr direkt angefangen hätte zu studieren. Ich konnte und kann mich aber auch immer an dem Gedanken festhalten, dass es nicht meine letzte Reise nach Ecuador oder Südamerika gewesen sein wird. Es wird zwar noch eine Weile dauern aber vielleicht befinde ich mich ja in 3 Jahren, nach meinem Studium, auf dem Weg nach Südamerika. Ob ich dann nur reisen oder nochmal einen Freiwilligendienst machen möchte, weiß ich noch nicht und möchte ich auch noch nicht festlegen, da sich in den nächsten 3 Jahren auch alles ändern und anders kommen kann, als ich es gedacht hätte.

Dienstag, 21. Januar 2020

Die Zeit rast

In knapp 7 Monaten geht mein Flieger zurück nach Deutschland. In 3 Tagen fliegen wir nach Bolivien zum Zwischenseminar. Die Zeit vergeht wie im Flug. Seit meinem letzten Blogeintrag vergingen über 3 Monate. Das war mir gar nicht so bewusst. Man vergisst hier einfach die Zeit. Aber woran liegt das? Das habe ich mich oft gefragt. Woran liegt es, dass andere Freiwillige Heimweh haben und sogar das FSJ abbrechen wollen und es mir so ganz anders geht. Ich vermisse meine Familie und Freunde auch sehr, hatte aber noch keinen DOWN‐Moment, wie eigentlich erwartet. Bei den Seminaren lernt man, dass nach gewisser Zeit jeder an diesem Punkt ankommen wird. Aber bei mir ist es zum Glück noch nicht eingetreten. Woran liegt das? Das habe ich mich oft gefragt. Die Antwort ist, dass es mir hier sehr gut geht. Die Arbeit macht Spaß, ich habe viele Freunde hier und reise viel. All das macht mir so viel Spaß, sodass gar keine Zeit bleibt, Kummer zu haben. Dazu kommt noch, dass ich viel mit meiner Familie telefoniere und sie mich in 1,5 Monaten besuchen kommen. Das gibt mir Kraft.

In den 3 Monaten ist viel passiert und ich habe viel erlebt. Anfang November waren wir in Baños, wo wir Rafting gemacht haben, beim casa del arbol und den bekannten Pailon del Diablo Wasserfall waren. Ein paar Tage später ging es für mich nach Quito zum weltwärts‐Tag. Da kamen alle deutschen Freiwillige die in Ecuador sind zusammen. Ich habe dort viele nette Leute kennengelernt. Ein Tag später fuhren wir nach Otavalo zum größten indigo Markt der Welt. Bei meinem nächsten Besuch in Quito fuhren wir zum Mitad del Mundo (Die Mitte der Welt). Zu zwei verschiedenen ehrlich gesagt. Da fragt man sich doch, wie das möglich ist. Der mehr touristische Äquator mit dem Denkmal und der Weltkugel obendrauf wurde falsch abgemessen. Der richtige Äquator befindet sich gute 200 Meter nördlich des Denkmals. Ich war bisher 5 Mal in Quito, es ist mittlerweile wie ein zweites zu Hause für mich hier in Ecuador geworden. Ich habe dort viele Freunde, was mir unter anderem die Hostelkosten erspart. Ich erlebe dort viel und lerne nach und nach die Stadt kennen. Ich würde behaupten, dass ich bisher mehr von Quito kenne, als von Santo Domingo, Wobei das nicht sonderlich schwer ist, da man in Santo nicht viel sehen kann. Allerdings ist es auch nicht so viel in Quito, was ich gesehen habe, da Quito unfassbar groß ist und man Stunden von A nach B braucht, da reicht ein Wochenende nicht aus um viel zu sehen, aber trotzdem erlebt man viel. Abgesehen von Quito war ich noch mit einigen Freunden am Strand in Manta. Und über Silvester haben wir eine 10 tägige Strandtour gemacht. Angefangen in Pedernales (Parasiling, Punta de los Frailes), Silvester habe ich mit ein paar mehr Freuden in Montañita gefeiert (Surfing) und abschließend ein paar Tage in Machalilla verbracht (Nationalpark, Los Frailes Strand, Isla de la Plata). Als wir aus unserem Strandraub wiedergekommen sind, mussten wir 2 Wochen lang nur nachmittags arbeiten. Also 2h pro Tag arbeiten, von 15-17 Uhr. Das verschaffte uns Zeit, viel Organisatorisches zu machen, aber auch mal etwas in Santo Domingo zu unternehmen. Da man aber in Santo Domingo so gut wie nichts machen kann, beschlossen wir, uns die 7 Wasserfälle von Alluriquin anzuschauen. Die befinden sich ca. 40 min mit dem Bus von Santo entfernt und sind traumhaft schön, mit unglaublichen Ausblicken.

Ende November wurde ich während der Arbeit (Hausbesuche bei behinderten Menschen) von einem Straßenhund gebissen. Ich musste diverse Krankenhäuser in Santo Domingo aufsuchen, um dann von meiner Versicherung aus Deutschland benachrichtigt zu werden, dass ich nachts 3h nach Quito fahren muss, um dort in ein Krankenhaus zu gehen. Zum Glück ist der ganze Stress vorbei, allerdings habe ich jetzt große Angst vor Hunden, und die ist nicht ganz unberechtigt, da es hier lauter Straßenhunde gibt, die bellend auf einen zukommen. Ansonsten ist man hier des Öfteren krank, ob Erbrechen, Durchfall oder die Höhenkrankheit. Ich bin bisher 3 Mal auf einen knapp 5000 Berg gestiegen (Cotopaxi, Ruco Pichincha). Letztes Wochenende waren wir bei der Quilotoa Lagune auf 4000m. Allerdings sind wir da nicht nur gewandert, sondern haben auch auf dieser Höhe geschlafen. Da habe ich die Höhe wirklich gespürt. Atemnot und Herzrasen. Das war schon sehr heftig.

Und jetzt zu meiner Arbeit in Santo Domingo. Als ich Anfang Oktober mit der Arbeit begann, habe ich vormittags im Projekt mit behinderten Menschen geholfen und nachmittags bei der Cae im Hort. Mit den behinderten Menschen hat man entweder getanzt (wir waren mit ihnen auch schon auf einem Tanzwettbewerb) oder mit unseren Arbeitskollegen Hausbesuche bei gemacht. Dabei werden Fragebögen ausgefüllt, Aufgaben mit ihnen gelöst, Hausaufgaben gegeben oder kontrolliert. Manchmal malt oder bastelt man auch mit ihnen. Bei den Hausbesuchen unterhält man sich auch mit den Leuten und erfährt mehr über ihr Leben. Das sieht man aber auch an deren Häuser. Meist wenig Betten, kein fester Boden, alles in einem Raum, alles sehr heruntergekommen. Nachmittags in der Cae hilft man den Kindern bei den Hausaufgaben. Manche Kinder müssen Mathe Aufgaben lösen, die sie überhaupt noch nicht können, andere müssen seitenlang irgendwelche Buchstaben oder Wörter abschreiben. Und wenn die Zeile dann mal nicht komplett gerade ist, wird alles von den Erzierinnen wieder wegradiert. Allgemein schaffen die Kinder so gut wie nichts an einem Tag, da sie die ganze Zeit quatschen, lachen und rumrennen. Sogar wenn sie nur was ausmalen müssen, fragen sie uns andauernd nach Hilfe. Wenn man im Raum der ganz kleinen Kinder ist, ohne weiteren Erzieher, kann ich aus Erfahrung sprechen, ist man aufgeschmissen. Alle Kinder rennen rum, schubsen sich, schlagen sich, Stellen sich gegenseitig Beine und lachen anschließend darüber. Wenn dann ein Kind weint und man sich zu ihm runterbeugt und ihn trösten möchte, kommen alle anderen Kinder angerannt und springen auf einen. Aber das machen sie eh die ganze Zeit, auf einen drauf springen, einen festhalten, sich festklammern. Das ist auch sehr niedlich, solange man dadurch nicht das Gleichgewicht verliert und hinfällt. Aber meistens sind die Kinder sehr süß, was einem im Herz berührt; wenn Kinder freiwillig Englisch lernen wollen, mit einem kuscheln und einem Küsse auf die Wange geben. Seit Pauline (unsere Mitfreiwillige) Ende November gekommen ist, arbeiten wir wieder vormittags im Cdi (Kindergarten). Wir haben dort ganz am Anfang schon 2-3 Tage gearbeitet, aber konnten dadurch das Projekt noch gar nicht richtig kennenlernen. Mittlerweile wissen wir, dass die Kinder super süß und herzergreifend sind, wenn sie z.B. Mama zu einem sagen, oder nach dem Impfen sich nach und nach in meine Arme fallen und sie trösten lassen. Aber sie können auch sehr anstrengend sein, wenn sie beim Essen mäkeln und nicht aufessen wollen. Besonders erniedrigend ist es, wenn die Kinder bei mir nicht weiter essen wollen und dann nach und nach andere Erzieher oder die Köchin helfen und einen weiteren Löffel in den Mund schieben, und es danach bei mir trotzdem noch nicht funktioniert. So kommt es auch oft vor, dass einer von uns drei Freiwilligen, der letzte Erzieher im Essensraum ist und versucht, dem Kind das Essen einzuflößen. Manchmal hilft da auch die deutsche Methode „Einen Löffel für die Mama,…“. Andererseits gibt es auch Kinder, die beim Essen einschlafen. Ihnen muss man dann das Essen aus dem Mund holen, bevor man sie ins Bett bringt. Diese Woche sind 7 neue Kinder in den Kindergarten gekommen, aber leider auch ein paar gegangen, die jetzt in die Schule gehen.

Uns wurde auch noch ein 4. Projekt vorgestellt. Das findet immer Freitag Nachmittag statt. Dort waren wir allerdings erst ein Mal. Wir haben mit alten Menschen genäht, getanzt, gegessen und gelacht. Bei der Ankunft haben wir jeden Einzelnen mit einem typischen Wangenkuss begrüßt. Sie waren alle so glücklich und dankbar dass wir da waren.

Und auch die Sprache klappt immer besser. Es ist immer noch sehr schwierig, aber man kann sich verständigen und kommt zurecht. Ob beim Reisen oder auf Arbeit. Aber trotzdem versteht man noch nicht alles, was die Kinder oder die Arbeitskollegen sagen. Aber es wird immer besser. Es braucht nur Zeit, viel Zeit.


Montag, 7. Oktober 2019

Die Arbeit beginnt...

Seit einer Woche bin ich in Santo Domingo, in unserem Projekt und meine Arbeit hat begonnen...
Am Montag Abend wurden wir von unserem Padre Marco aus Mindo abgeholt und sind nach Santo Domingo gefahren. Am ersten Arbeitstag hat uns unsere Chefin Araceli den Kindergarten und das Projekt gezeigt und uns den Kindern und Mitarbeitern vorgestellt. Wir haben hier 3 verschiedene Arbeitsstellen. In den ersten Wochen sollen wir alles kennenlernen und uns dann für einen Arbeitsplatz entscheiden. Vormittags von 8:30 Uhr - 13:00 Uhr helfen wir in der Kindertagesstätte bei den 1-3 jährigen und 13:30 Uhr wechseln wir die Straßenseite und arbeiten in einem Hort von bis zu 12 jährigen. Das dritte Projekt ist mit behinderten Menschen aller Altersklassen. Mit ihnen wird getanzt, gelacht und gespielt. 


Diese Woche hat unsere Arbeit in der KiTa begonnen. Um 8:30 Uhr gibt es für sie Frühstück und danach spielen wir mit allen Kindern im Innenhof (überdachte große Fläche mit Kunstrasen und viiiieeelen Plastikgeräten). Später gibt es ein Obstfrühstück, wo wir zwischen den Mini-Tischen sitzen und das Obst entkernen. Um 12 Uhr gibt es dann Mittagessen, das sehr hektisch wirkt. Die Erzieher füttern mehrere Kinder gleichzeitig. Die größeren Kinder können zwar schon alleine essen, aber wenn sie mäkeln muss man ihnen das Essen schnell in den Mund schieben, damit es den zweiten Gang geben kann. Oft fallen auch Schüsseln oder Becher runter. Nach dem Mittagessen wird geschlafen. Ich war heute bei den ganz kleinen und habe beim umziehen und waschen geholfen. Der schwierigste Teil war es, die Kinder zum schlafen zu bringen. Das Zimmer kann man auch nicht abdunkeln und die Fenster sind auch nicht sonderlich dicht, sodass die Geräuschkulisse nicht gerade angenehm zum schlafen ist. Dazu kommt noch die Hitze, daher hat die Erzieherin manchen Kindern mit einem Kissen Luft zugewedelt. Um dann wirklich einschlafen zu können, muss man ihnen was vorsingen. Nachdem dann auch wirklich das letzte Kind eingeschlafen ist, können wir in unsere Wohnung gehen, die direkt im Kindergarten ist. Eine halbe Stunde später beginnt dann auch schon das nächste Projekt auf der anderen Straßenseite.


Dort im Hort beginnen wir die Arbeit mit dem Mittagessen zusammen mit den Kindern. Danach werden sie altersgemäß in verschiedene Gruppen eingeteilt und machen verschiedene Aufgaben. Die kleineren malen und puzzeln, und die älteren lernen Mathe und Englisch. Die Kommunikation mit den Kindern ist noch sehr schwierig. Oft verstehen wir sie nicht, wenn sie mit uns reden oder uns etwas erklären wollen. Wir versuchen es dann mit Händen und Füßen...und der Übersetzungsapp :D.

Nach den Gruppeneinlagen spielen die Kinder noch draußen auf dem Hof. Sie haben letzte Woche verschiedene Tänze geübt, da wir am Sonntag ein Fest von Franz von Assisi feierten. Dabei gab es nach der überfüllten Messe sehr viele Tänze von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Die verschiedenen bunten Kostüme und das viele, unbekannte Essen waren sehr beeindruckend.

Generell konnten wir erst selten arbeiten, da aufgrund der vielen Demonstrationen in ganz Ecuador oft keine Kinder ins Projekt kommen konnten. Ecuador befindet sich momentan in einem Ausnahmezustand, da Taxis und Busse wegen der Benzinpreiserhöhung streiken. Daher sind viele Straßen blockiert.



Einen mindestens 5 stündigen Stromausfall haben wir auch schon erlebt.

Santo Domingo, und vor allem unser Viertel, ist ganz anders, als wir es erwartet hätten und auch ganz anders als Quito, wo wir 2,5 Wochen gewohnt haben. Es gibt keine Hochhäuser, alles ist sehr heruntergekommen mit sehr vielen Straßenhunden und es wirkt ein bisschen wie Slums. Es gibt in meinem Viertel nicht viele befestigte Straßen, viele Pflanzenecken (vor allem Bananenbäume) und nicht zu Ende gebaute Häuser.Unsere Wohnung dagegen ist ziemlich groß und für ecuadorianische Verhältnisse sehr luxuriös, abgesehen von den vielen Ameisen, den Mäusen und den nicht dichten Fenstern, weswegen man alle Geräusche und vor allem die starken Regenfälle draußen hört. Oft hören wir hier auch die laute Musik von draußen.



Wir müssen uns zwar noch an vieles gewöhnen und uns hier richtig einleben, aber wir wurden sehr herzlich und liebevoll empfangen.






Samstag, 14. September 2019

Die ersten Tage...

Seit 3 Tagen sind Friedrich (mein Mitfreiwilliger) und ich in Quito. Es ist alles noch sehr ungewohnt. Niemand kann hier englisch. Die einzige Möglichkeit, sich zu verständigen, ist Spanisch. Da wir aber beide noch kein Spanisch können und unsere Sprachschule erst am Montag beginnt, ist es sehr schwer für uns. Wir versuchen uns mit Händen und Füßen zu verständigen. Wenn das nicht klappt, müssen wir es mit dem Google Übersetzer versuchen. Das klappt zum Glück ganz gut, da es an sehr vielen Orten WLAN gibt. Ob im Supermarkt, in der Mall, auf dem Markt oder in Kiosken.
Bei dem Versuch im Einkaufszentrum El Bosque eine ecuadorianische Prepaid Nummer zu kaufen, hatten wir große Probleme. Der erste Anbieter wollte es uns für viel zu viel Geld verlaufen und bei dem anderen haben wir sehr lange mit dem Google Übersetzer versucht, einen passenden Tarif zu vereinbaren. Nachdem wir da alles geplant hatten, stellte sich heraus, dass wir für all das erst einmal eine ecuadorianische Nummer brauchen oder uns ein Freund mit seiner ecuadorianischen Nummer hilft. Also vertagten wir es.
Außerdem macht mir die Höhe ein bisschen zu schaffen. Ich komme viel schneller außer Atem, als ich gedacht hätte, vor allem beim Treppen steigen macht es sich bemerkbar.
Die Busfahrten sind auch ziemlich abenteuerlich. Man hat keine Ahnung welcher Bus wohin fährt. Eigentlich hat jeder Bus, wie auch in Deutschland eine Nummer, aber davon ist nichts zu sehen. das heißt für uns, wir steigen in irgendeinen Bus ein und hoffen, dass er in die richtige Richtung fährt. Und selbst wenn er mal anders fährt, als geplant, steigen wir aus, warten auf den nächsten Bus und bezahlen nochmal die 25 Cent (die man einfach dem Mann in die Hand drückt, der immer das Geld einsammelt). In Quito fahren unglaublich viele Busse. Die Straßen sind voll von blauen Bussen und gelben Taxis. Und kein einziges Auto/ Bus hält sich an irgendeine, der in Deutschland bekannten, Verkehrsregel. Überholt wird wie jeder gern will. Gehupt wird, sobald das Auto vor einem nicht weiterfährt, auch wenn es an einer roten Ampel steht. Und man fährt so weit auf das Fahrzeug vor einem zu, bis nur noch gefühlt wenige Millimeter Platz dazwischen sind. Deswegen wird andauernd gebremst und Gas gegeben, sodass man im ganzen Bus herumgeschleudert wird, denn der Busfahrer hält auch sofort an, wenn jemand am Straßenrand die Hand raushält. Dazu kommt noch die ziemlich laute südamerikanische Musik im Bus.
Auch das Klima ist gewöhnungsbedürftig. Morgens und abends ziemlich frisch und mittags knallt die Sonne. Wobei die Einheimischen auch oft in sehr warmen Klamotten herumlaufen. Gestern waren Friedrich und ich auf dem Mercado Artesanal la Mariscal, wo es sehr viele Sachen zu kaufen gibt, ob Alpaka Schal, Tuch oder auch Panama Hüte... Da haben wir uns auch schon gefragt, wann man denn hier solche warmen Sachen tragen sollte. Wir waren auch auf dem Mercado Central zum Essen kaufen, wobei wir Ausländer dort schon deutlich mehr Geld bezahlen, als die Einheimischen. Trotzdem ist es noch um einiges billiger, als in unserem Supermarkt nebenan.
Eine weitere Umstellung ist die Zeitverschiebung. An die 7 Stunden müssen wir uns erst einmal anpassen. Das heißt um 9 Uhr ins Bett gehen und zwischen 5 und 7 Uhr aufstehen. Dann machen wir vormittags meist noch ein paar Dinge am Computer und gegen 11/ 12 Uhr gehen wir raus und erkunden ein bisschen die Stadt. Ab um 4 sind wir dann meistens wieder zu Hause und legen uns erst einmal erschöpft aufs Bett und schlafen vielleicht sogar ein. In Deutschland wäre es ja dann schon 23 Uhr.
Aber an all das gewöhnen wir uns schon. Es braucht nur seine Zeit...




Montag, 9. September 2019

Nicht mehr lange hin…


In weniger als 24h beginnt meine Reise, in 36h steige ich in den Flieger nach Madrid und in knapp 50h befinde ich mich am Flughafen von Quito und das Abenteuer beginnt… Kaum zu glauben! Die Koffer sind noch nicht fertig gepackt, meine Spanisch Kenntnisse sind auch nicht die besten und der Transport vom Flughafen zur Wohnung ist auch noch nicht geplant. Da geriet man doch ein wenig in Stress. Doch sollten die letzten Tage in Deutschland nicht stressfrei und entspannt sein? Eigentlich schon. Aber dann hätte man die ganzen zu erledigenden Sachen nicht vor sich hin schieben dürfen. Ich habe mir immer gesagt „ist doch noch ewig hin“. Es kam mir einfach so weit weg und unglaubwürdig vor. Aber jetzt ist es echt soweit und ich kann es noch gar nicht richtig glauben. Ich denke, dass ich es erst so richtig realisieren kann, wenn ich vor Ort bin.

Aber eine Sache habe ich mit großer Freude schon gemacht: Ich habe mir einen Ecuador-Reiseführer angeschaut. Doch dabei entwickelt sich schnell die Gefahr, dass man sich zu sehr auf das Reisen fokussiert. Bei einem freiwilligen sozialen Jahr geht es jedoch nicht ums Reisen, sondern  darum, anderen zu helfen und sie zu unterstützen. Daher sollten die 4 Wochen Urlaub im Jahr eine kleinere Rolle spielen. Trotzdem erfährt man durch einen Reiseführer wichtige, zu beachtende Dinge, die einem bei der Ankunft auch helfen könnten. Eine wichtige Info war mir, dass es in Quito nachts nur um die 7-8°C wird. Klar, dass hätte ich mir bei der Höhe von Quito (2850m) schon denken können, aber eigentlich ging ich davon aus, dass es in Äquator-Nähe wärmer ist. Daraufhin habe ich erst mal ein paar Winter Klamotten eingepackt (Mütze, Schal, Handschuhe…), denn in der Hauptstadt werden wir uns nach der Ankunft 2,5 Wochen aufhalten. Dort machen wir einen Sprachkurs, lernen Land und Leute kennen und besuchen bestimmt auch mal die Guanacos und Vicuñas in den Anden. Anfang Oktober geht es dann für uns mit einer sehr furchterregenden Busreise 3000m die westlichen Andenhänge hinab nach Santo Domingo. Diese zweieinhalbstündige Fahrt ist oft in Nebel gehüllt und es kann sich nur noch auf Scheinwerfer und Hupen verlassen werden. Diese Strecke werden wir wahrscheinlich öfter fahren. Mal schauen ob es dann bei uns auch so furchterregend und abenteuerlich wird, wie im Reiseführer beschrieben. Nichts desto trotz sind die eigenen, selbst gemachten Erfahrungen immer die Besten. Und auch die negativen Erfahrungen gehören mit dazu und prägen einen.

Montag, 5. August 2019

Wer bin ich?


Hola! Ich bin Lena, 18 Jahre alt, wohne in Leipzig und habe vor kurzen mein Abitur erfolgreich abgeschlossen. Schon seit langem hatte ich den Plan ein soziales Auslandsjahr zu machen, da mir die Arbeit mit Kindern sehr viel Spaß bereitet und ich gerne anderen Menschen helfen und sie unterstützen möchte. Ich möchte gerne mehr über ihre Lebensweise (die sich schon ziemlich von unserer unterscheidet) erfahren und eine komplett neue Welt kennenlernen: die Menschen, die Kultur aber auch das Land. Abgesehen davon natürlich auch eine neue Sprache lernen. Ich hoffe, dadurch viele neue und prägende Erfahrungen sammeln zu können und mich selbst daran voran zu bringen und weiter zu entwickeln.